ASP – fremd (CD-2011)

»Du fügst dich falsch ein!
Du bist so fremd hier!
Kannst du du selbst sein?
Und bist du ganz bei dir?«
(ASP: FremdkörPerson, erstens)

Vier Jahre zogen ins Land, seit die Frankfurter Band ASP mit dem Album »Requiembrio (Der schwarze Schmetterling V)« die Geschichte um den Schwarzen Schmetterling abgeschlossen hatte. Nach dem an die Krabat-Sage angelehnten Zwischenalbum »Zaubererbruder – Der Krabat Liederzyklus«, welches im Jahr 2008 erschien, stand die Frage im Raum, was wohl als nächstes komme. Ein neuer Zyklus? Oder etwas ganz anderes, wie die Single »Wer sonst? / Im Märchenland« vermuten ließ?
Tatsächlich fällt in diesem Jahr der Startschuss für den neuen »Fremder-Zyklus«. Nach der Single »Wechselbalg« erscheint nun das lange erwartete, erste Album, das den Titel »fremd« trägt.

Nachdem Matze Ambré im Frühjahr 2011 aus der Band ausgetreten war, stehen nun Sören Jordan und Lutz Demmler an den Gitarren. Der Bass und die Drums werden nach wie vor von Andreas »Tossi« Gross und Oliver »Himmi« Himmighoffen gespielt.

»fremd« erscheint in zwei Versionen: Zum einen in einer Standard-Ausgabe im Hardcover-Digibook, und in einer wunderschönen, auf 7.000 Stück limitierten Auflage im Buchformat mit Bonus-CD. Ebenso ist das Album in Form einer auf 499 Exemplare limitierten 2LP-Vinyl erhältlich.

Das Album umfasst neun Titel mit einer gesamten Spieldauer von ca. 67 Minuten. Wer das Glück hat, die limitierte Version erstehen zu können, kann sich über weitere 49 Minuten freuen. Doch auch das reguläre Album ist ein Meisterwerk für sich. Von rockigen bis hin zu geradezu epischen Stücken ist alles dabei, um das Herz eines ASP-Fans höher schlagen zu lassen.

»fremd« beginnt mit dem Titel »A prayer for sanctuary« – bedrückend und in nahezu hypnotischer Weise wird der Hörer auf das Album eingestimmt. Es folgt der bereits von der im August erschienen Single bekannte, sehr rockige Ohrwurm »Wechselbalg« – mit der eingängigste Titel des Albums, wenngleich er sich starker Konkurrenz ausgesetzt sieht. Rockig und tanzbar geht es weiter mit »Eisige Wirklichkeit«, dabei setzt sich insbesondere der Refrain in den Gehirnwindungen fest.

»The Mysterious Vanishing of the Foremar Family« ist einer der Höhepunkte des Albums. Gemäß der genremäßigen Verortung ASPs im »Gothic Novel Rock« handelt es sich dabei um eine klassische »Gothic Tale« über eine auf mysteriöse Art verschwundene Familie, die allerlei düstere Geheimnisse hütete – ein wunderbares Kopfkino für alle Gruselfans. Die folkigen Elemente des Stückes kommen besonders schön in der »Von Zaubererbrüdern-Fassung« auf der optionalen Bonus-CD zur Geltung, in der ASP durch Ralph Müller und Ally the Fiddle unterstützt wird.

Mit einem gesprochenen Gedicht beginnt der Titel »Rücken an Rücken«. Verzweiflung klingt durch den Text, wird durch den eindringlichen Refrain verstärkt und doch lässt das Lied eine Hoffnung erkennen, so man untereinander zusammenhält. Im krassen Gegensatz zu der in dem Stück gebotenen Geschwindigkeit steht die darauf folgende, bedrückend melancholische, »Angstkathedrale« in der Canterbury-Version. Während die Amiens-Version auf der Single »Wechselbalg« bereits rund 12 Minuten dauerte, so wurde aus der Canterbury-Version ein Stück mit satten 17 Minuten Dauer. Wie gehabt handelt es sich dabei um ein Kalligramm; die Textform orientiert sich an den Grundrissen der Kathedrale von Canterbury in Südost-England (siehe Bild). Besitzer der limitierten Albumversion dürfen sich zudem über die gut gelungene Meditation-Church-Version auf der Bonus-CD freuen. Textlich gleicht diese der Canterbury-Version, doch wurde hier weitestgehend auf elektronische Instrumente verzichtet. Dadurch und aufgrund der Hall-Effekte wirkt diese jedoch ungleich schwermütiger.

Einen dezent ironischen Blick auf die BDSM-Szene wirft »Schön, schön, schön«; der Text verleitet zum Schmunzeln ob dieser kleinen Abrechnung. Musikalisch ist dieser Titel so rockig und eingängig, dass er wohl in Zukunft auf keinem Konzert fehlen dürfte. »FremdkörPerson, erstens« ist ein gefundenes Fressen für den Metalfan. Nach einem mittelalterlich anmutenden Intro nimmt der Titel rasch an Geschwindigkeit zu, bis die Gitarren im Refrain zu ihrer Hochform auflaufen. Elegant endet das Album mit dem über zehn Minuten langen »Unverwandt«. Der sehr emotionale Text harmoniert wunderbar mit der vielfältigen Melodie, die das folkige Geigenspiel von Ally the Fiddle meisterhaft mit E-Gitarren-Riffs kombiniert. Auf der Bonus-CD findet sich zudem der etwas kürzere »Some Tribute paid in the Reptile House«-Remix des Titels.

Neben den bereits erwähnten Remixen und alternativen Fassungen befindet sich auf der Bonus-CD noch eine grandiose, extrem rockige Coverversion von Nik Kershaws Klassiker »Wouldn’t it be good« in zwei Versionen, ein elektronischer Remix von »Wechselbalg«, sowie zwei Videos: Der Auftritt von ASP mit »Wechselbalg« auf dem M’era Luna 2011 und Subway to Sally feat. ASP mit »Ich will brennen« auf dem »Eisheilige Nächte«-Konzert 2010 in Potsdam.

Fazit:
Darauf hat der geneigte ASP-Fan lange gewartet und gebangt. Das neue Album »fremd« läutet eine neue Ära in der Geschichte der Frankfurter Gothic Novel Rocker ein. Neben der neuen Besetzung an den Gitarren und dem komplett neuen Epos schleichen sich spätestens seit dem Krabat-Liederzyklus vermehrt folkige Elemente ein, die Musik wirkt aber ungleich schwermütiger, melancholischer, düsterer. Dominiert wird das Ganze jedoch nach wie vor von ASPs eindringlicher Stimme, die den Hörer in nie gekannte Tiefen seines Seelenlebens entführt.

In den Clubs werden wohl vor allem Die Titel »Eisige Wirklichkeit«, »Wechselbalg« und »Schön, schön, schön« zu hören sein, ein richtiger Gassenhauer wie »Werben« oder »Ich will brennen« fehlt jedoch. Die wahre Stärke des Albums sind die langen Stücke wie »The Mysterious Vanishing of the Foremar Family«, die »Angstkathedrale« und »Unverwandt« – und diese will man gar nicht auf den Tanzflächen hören, sondern in aller Ruhe genießen.

Unterm Strich bleiben der Eindruck eines starken Auftaktes zum neuen »Fremder-Zyklus« und die spannende Erwartung auf das, was noch kommt. Eine klare Kaufempfehlung für Fans guter, rockiger, düsterer Musik. Definitiv empfehlenswert ist die limitierte Auflage mit der Bonus-CD, welche neben der einzigartigen, künstlerischen Gestaltung des CD-Buches den deutlich höheren Preis durchaus rechtfertigt und eigentlich in die Vitrine gehört.

Titelliste:

CD 1:
1. A Prayer for Sanctuary
2. Wechselbalg
3. Eisige Wirklichkeit
4. The Mysterious Vanishing of the Foremar Family [A Real Gothic Tale]
5. Rücken an Rücken
6. Angstkathedrale (Canterbury version)
7. Schön, schön, schön
8. FremdkörPerson, erstens
9. Unverwandt

Bonus CD (limitierte Auflage):
1. Wouldn‘t it be good
2. Wechselbalg (Demmler Twins RMX)
3. Unverwandt (Some Tribute paid in the Reptile House)
4. Angstkathedrale (Meditation Church)
5. Wouldn‘t it be good (Sicksicksick Maxi)
6. The Mysterious Vanishing of the Foremar Family (Asps Von Zaubererbrüdern Fassung mit Ally und Ralph)
7. Videotrack: Ich will brennen Metropolis-Video, Subway to Sally featuring Asp, recorded live at Eisheilige Nächte, Potsdam, 2010
8. MPEG4 Videotrack: Wechselbalg, live at the M’Era Luna Festival 2011

Tourdaten:
21. Oktober, Dresden, Alter Schlachthof
22. Oktober, Potsdam, Waschhaus
23. Oktober, Bielefeld, Ringlokschuppen
25. Oktober, Stuttgart, Theaterhaus
26. Oktober, Saarbrücken, Garage
27. Oktober, München, Muffathalle
28. Oktober, Schwabach, Markgrafensaal
29. Oktober, A-Wien, Gasometer
02. November, Köln, Live Music Hall
03. November, Hamburg, Docks
04. November, Bremen, Aladin
05. November, Leipzig, Haus Auensee
16. November, Bochum Matrix ZUSATZKONZERT
17. November, Bochum, Matrix
18. November, Bochum, Matrix AUSVERKAUFT
22. November, Frankfurt, Batschkapp ZUSATZKONZERT
23. November, Frankfurt, Batschkapp
24. November, Frankfurt, Batschkapp
30. November, CH-Zürich, X-tra
23. Februar 2012, Kiel, Max
24. Februar 2012, Erfurt, Stadtgarten
25. Februar 2012, Würzburg, Posthalle
01. März 2012, Ulm, Roxy
02. März 2012, Mannheim, Capitol
03. März 2012, Magdeburg, Altes Theater

Autor: Last Apocalypse