Amphi-Festival – Anno 2012: Eine Nachlese…

…oder warum Zeus eine schwarze Seele haben muss

Warum Zeus eine schwarze Seele haben muss? Nun, in der griechischen Mythologie gilt Zeus nicht nur als oberster Gott des Olymps, sondern auch als der Gott des Wetters und Schicksalsgott. Genau hier, im „Regenmonat Juli 2012“ muss jemand am Rad des Schicksals gedreht haben. Wenn nicht Zeus, dann vermutlich ein anderer bekannter Wettergott, denn schien der Juli bis zum Vorabend des Festivals nur aus dicken Regentropfen, vermengt mit zeitweise einer Prise Blitz und Donner, zu bestehen, so begann der Festivalsamstag überraschend mit ersten Sonnenstrahlen und, zum gefühlten ersten Mal in diesem Monat, freundlichem Wetter! …und dies sollte sich für den gesamten Verlauf des Festivals nicht mehr ändern. Der Wettergott muss eine schwarze Seele haben oder zumindest mit den Schwarzen Seelen sympathisieren.

Zum vierten Mal in Folge konnte man bereits im Vorfeld von Seiten des Veranstalters vernehmen, dass das Amphi-Festival mit über 16.000 Besuchern vorzeitig ausverkauft ist. Dies spiegelt sicherlich zum einen die attraktive und einzigartige Location für ein Festival dieser Art wieder (Wo sonst gibt es einen Beachbereich?), zum anderen aber natürlich auch das hochgradige Line-Up, welches in punktueller Kleinarbeit im Laufe der letzten Monate von den Organisatoren zusammengeschustert worden war. Hier musste eigentlich jeder Schwarz- (und Neon-) Kittel auf seine Kosten kommen müssen.

Der Tanzbrunnen in Köln öffnete am Samstagmorgen ziemlich pünktlich seine Tore und von nun an gab es für viele tausend angereiste Freunde des schwarzen Lebensstils kein zurück mehr. Der Ansturm war jedoch gemäßigt und über die Tagesstunden verteilt, sodass sich das Warten am Einlass in überschaubaren Grenzen hielt und auch das Sicherheitspersonal vor keine zu großen Schwierigkeiten gestellt wurde. Hinter dem Eingang fand man dann auch direkt wie gewohnt auf der linken Seite die kostenlose Trinkwasserstelle, die auch bei den Preisen des dortigen Getränkeversorgers (der ebenso für das Verbot der Mitnahme von Speisen und Getränken auf das Festivalgelände verantwortlich ist) durchaus Sinn macht und somit auch gut frequentiert war. Becher für die Wassertränke konnte man direkt gegenüber bei dem Dunkel-Volk Stand bekommen. Dieser Stand diente während des Festivals in unterschiedlichster Form. So war auch hier das Fundbüro eingerichtet und man konnte Ohrstöpsel oder kostenlose Pflaster erhalten.

Pünktlich um 12 Uhr begann dann auch mit „The Wars“ die erste Band auf der Mainstage zu musizieren. Die Zuschauermasse hielt sich bei dem ersten Act zwar noch überschaubar in Grenzen, aber auch eine kleinere Gruppe kann bekanntermaßen gut feiern, was auch die nachfolgende Band „A Life Divided“ zugeben musste.

Im Staatenhaus (zweite Bühne) verhielt es sich nicht anders. Kurz nach 11 Uhr wurden hier die Tore geöffnet und „Eisenfunk“ eröffneten um 12:30 Uhr für alle Freunde der härteren elektrischen Gangart die Bühne. Eingefleischte Electros und Cybers, welche auch direkt zu den ersten Takten tanzend mit ihrem Cyberdance begannen, konnten hier ordentlich abfeiern. Insgesamt stand das Programm im Staatenhaus für den Samstag auch schwerpunktmäßig auf Electro eingestellt, wie man an namenhaften Bands a la Seabound über Assemblage 23 bis hin zu Thomas Rainers Projekt Nachmahr, zweifelsfrei ablesen konnte.

Erster Höhepunkt im Staatenhaus sollte dann am Abend der Auftritt von „Apoptygma Berzerk“ sein, welche in den letzten knapp 1½ Jahren so gut wie gar nicht live in Erscheinung getreten waren. Mit „Love never dies“ wurde die Show eröffnet. Doch bevor die geneigten Zuschauer mit dem Rhythmus im Blut das Tanzbein schwingen konnten, versagte auch prompt die Elektronik und ein etwas ratlos aussehender Stephan Groth wusste zunächst nicht, was da genau los war. Doch man wäre nicht Profimusiker, wenn man auch diese Situation nicht zu meistern gewusst hätte. Also wurde kurzerhand mit dem nächsten Song „Non-stop violence“ weitergespielt. Die dargebotene Playlist umfasste tatsächlich viele Hits aus der gesamten Schaffensphase von „Apoptygma Berzerk“, womit die Zuschauer sicherlich auch zufrieden sein konnten. Als Nachschlag gab es dann noch den Joy Division Klassiker „Love will tear us apart“, bevor die Umbaumaßnahmen für „DAF“ stattfanden.

Draußen leerte sich zu dieser Zeit bereits die Zuschauermenge vor der Bühne, denn kurz vor 22 Uhr war bereits Schluss auf der Mainstage (Nachruhe!) und die „Sisters Of Mercy“ hatten ihr knapp 90minütiges Set absolviert. Mit typischer dunkler Sonnenbrille, umgarnt von typischen Nebelschwaden, die alle paar Minuten aufs Neue die Nebelmaschinen um die Bühne herum strapazierten, gab Andrew Eldritch, Mastermind der Sisters, einen Best-Of Abriss aus den 80ern und frühen 90er Jahren zum Besten. Auf Interaktion seinerseits mit dem Publikum musste man vergebens warten: Eldritch gab sich auffallend wortkarg und konzentrierte seine Stimme nur auf das Darbieten der Songtexte. So verließen die „Schwestern der Gnade“ auch zweimal die Bühne, ohne darüber ein Wort zu verlieren und der Hit „This Corrosion“ wurde gar von einer Sängerin alleine am Klavier dargeboten.

Zurück ins Staatenhaus, wo sich „DAF“ als Headliner auf der zweiten Bühne die Ehre gaben. Im Übrigen fungierte das Staatenhaus auch in diesem Jahr wieder als gemütlicher Treffpunk, hatte man doch bereits schon im letzten Jahr den Raum der Halle durch eine Händlermeile und das Amphi Café erweitert. Mehr Platz also, seine schwarze Seele zwischendurch auch mal bei einer Kaffeespezialität oder einem Glas Cidre oder Met baumeln zu lassen.

Gabi Delgado-López und Robert Görl, besser bekannt als die Deutsch-Amerikanische-Freundschaft, gelang als Hauptact im Staatenhaus ein ebenfalls rundum gelungenes Konzert und es wurden sowohl Klassiker (Der Mussolini), wie auch neuere Stücke (Der Sheriff) dargeboten.

Der Sonntag präsentierte sich in ähnlichem Gewand, wie es der Samstag tat. Mit Zeus (siehe oben) auf der schwarzen Seite konnte also der zweite Tag mit gut gelaunten „Lords Of The Lost“ auf der Mainstage beginnen.

Die rund um den Tanzbrunnen aufgebaute Händlermeile wusste im Übrigen nicht immer so ganz zu überzeugen. Es wurden vermehrt Stimmen in Besucherkreisen laut, dass doch vieles Angebotenes immer das Gleiche ist, obwohl viele Rabattaktionen der Händler – speziell für dieses Festival – sicherlich doch den ein oder anderen Besucher zum Kaufen ausgewählter Waren einlud. Das Kontingent reichte bei den Händlern von den Standard-Docs über Cyberwaren bis hin zu schwarzer Handwaschseife und „Nicht Lustig“(en) Accessoires.

Kulinarisch wurde ebenfalls das geboten, was man aus den letzten Jahren oder von anderen bekannten Open Air Festivals kennt. Festzuhalten bleibt vielleicht, dass es Gyros nicht nur in angepriesener XXL Größe gibt, sondern auch als vegetarische Variante, wobei sich diese als „Gemüsebrei“ im Fladenbrot entpuppte, geschmacklich aber in Ordnung ging, womit man unterm Strich aber immer noch nicht verstehen muss, was das Ganze mit Gyros zutun hat.

Musikalisch wurde auf der Mainstage an diesem Sonntag einiges geboten und die Namen der dort spielenden Bands konnten sich durchaus sehen lassen. Solar Fake, das Projekt um Sven Friedrich, legte eine ordentliche Performance hin, „Stahlzeit“ präsentierten als Rammstein-Coverband („Die hören sich an, wie so eine Band wie Rammstein.“ [O-Ton einer Besucherin]) die größten Hits des Originals und Rogue, Frontmann der Crüxshadows, der das Konzert singend im Publikumsbereich startete, um dann die Tribüne zu erklimmen, ließ es sich auch auf diesem Event nicht nehmen und erklomm wieder einmal das Gerüst der Bühne.

Zu „Blutengel“ um 19 Uhr war dann der Bereich vor der Bühne auch deutlich stark gefüllt und Chris Pohl brachte sicherlich auch ein ordentliches Stück Bewegung in die Beine der Zuschauer. Letztlich waren es dann „And One“ als Headliner des Abends auf der Mainstage, die das Publikum in ihren Bann zogen. Ein gut gelaunter, aber von Grippe und Heiserkeit geplagter Steve Naghavi, scherzte mehrfach, dass nun der letzte Song des Sets kommen würde und hatte zunächst mit Soundproblemen zu kämpfen. Irgendwie schien seine Stimme nicht über die Lautsprecher nach außen zu dringen, was aber dann nach dem ersten Song auch behoben war. Außerdem bleibt festzuhalten, dass es tatsächlich eine Besucherin aus der ersten Reihe über die Absperrung bis rauf auf die Bühne schaffte, eine kleine Tanzeinlage hinter Steve geben konnte, bevor sie von der Security wieder von der Bühne geführt wurde. Eine Aktion, die Herrn Naghavi deutlich zum Schmunzeln brachte.

Wer jedoch auf Timekiller im Duett mit Peter Spilles wartete, der wartete leider vergeblich. Auch beim anschließend letzten Konzert im Staatenhaus von Project Pitchfork musste man zwar nicht auf Timekiller warten, jedoch auch auf das Erscheinen von Steve Naghavi. Vielleicht findet dieses besondere Duett wieder ein anderes Mal an anderer Stelle statt. Project Pitchfork legten aber auch so eine umwerfende Show dar und zeigten einmal mehr, dass es sich hier um eine Ausnahmeband handelt, die eindrucksvoll zu überzeugen weiß.

Wer nun noch nicht die Heimreise antreten wollte oder musste, der konnte nun noch bis in die frühen Morgenstunden (so wie am Vortag auch) im Theater zu ausgewählter Musik von DJ-Szenegrößen (z.B. Honey [Welle:Erdball] oder Eskil [Covenant]) das Tanzbein schwingen.

Alles in allem hat nicht nur der griechische Göttervater Zeus für ein Highlight der schwarzen Szene – Open Airs in diesem Jahr gesorgt, sondern auch die vorzügliche Bandauswahl und die vielen Besucher, die es sich merklich gut gehen ließen. Schon jetzt wirbt man für das IX. Amphi-Festival mit Fields Of The Nephilim und Alien Sex Fiend als Headlinern. Auch hier werden, so denke ich, 16.000 Besucher wieder garantiert sein. Ich werde es mir nicht nehmen lassen – die Vorfreude ist bereits da…

Autor: Steve / Radio Dunkle Welle